Bundestag beschließt die "Ehe für alle"

30.06.2017
Pressemeldung

Persönliche Erklärung der Bonner Bundestagsabgeordneten

Persönliche Erklärung zur Abstimmung nach §31 GOBT über den Gesetzentwurf des Bundesrates zur
„Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ (Drucksache 18(6665))

I. Zur Sache
Ich wertschätze alle auf Dauer, Verbindlichkeit und wechselseitige Verantwortung angelegten Partnerschaften. In besonderer Weise werden diese Werte in der Ehe und in der eingetragenen Lebenspartnerschaft verwirklicht. Sie sind gut für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft und entscheidend für deren Zukunft. Wo gleiche Werte gelebt, Rechte und Pflichten gegenseitig gewährt und übernommen werden und wo das Füreinander-Einstehen zum verbindlichen Lebensziel erklärt wird, sollen auch gleiche rechtliche Maßstäbe angelegt werden.

Deshalb befürworte ich die volle rechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft und setze mich dafür ein, dass neben der Ehe auch die eingetragene Lebenspartnerschaft unter den besonderen Schutz unserer Verfassung in Artikel 6 des Grundgesetzes gestellt wird

Diese rechtliche Gleichstellung ist insbesondere beim Adoptionsrecht noch nicht vollzogen. Die bestehenden Unterschiede sollten ebenso angeglichen werden.

Trotz rechtlicher Gleichstellung und hoher Wertschätzung, die ich beiden Rechtsinstituten zukommen lassen, sind sie für mich aber nicht identisch. „Ehe“ ist ein zentraler historischer, kultureller, religiöser und gesellschaftlich geprägter Begriff. Zum Wesensmerkmal einer Ehe gehört danach, dass sie eine auf Lebenszeit angelegte Verbindung von Mann und Frau ist.

Die Frage ist nun, ob „gleiches Recht“ auch den Anspruch meint, diesen Begriff umzudeuten – und das selbst dann, wenn davon keine weiteren substanziellen Rechte ab-hängen. Für mich ist es dagegen wichtig und legitim, weiter eine begriffliche Unterscheidung zu machen. Unterschiedliches darf und muss man auch unterschiedlich benennen können. Jede faktische Diskriminierung muss unterbunden werden, ich bin allerdings auch der Meinung, dass Differenzierungen allein nicht schon Diskriminierung sind.

II. Zum Verfahren
Ich halte es für eine richtige Entscheidung der Fraktionsspitze, bei diesem Thema den Fraktionszwang aufzuheben und damit der persönlichen Gewissensfreiheit jedes einzelnen Bundestagsabgeordneten, die immer besteht, ausdrücklich mehr Raum zu geben.

Nach ständiger auch jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht der Ehebegriff des Grundgesetztes in Artikel 6 von einer Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner als Wesensmerkmal der Ehe aus. Eine Neudefinition des Begriffs Ehe kann nach meinem Rechtsverständnis deshalb auf keinen Fall einfach-gesetzlich ohne eine Verfassungsänderung erfolgen.

„Ehe für alle“ ist explizit nicht Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrages. Das Verhalten der SPD in dieser Frage verstößt gegen die vertraglich vereinbarten Kooperationsbedingungen dieser Koalition. Das nenne ich einen kalkulierten Vertrauensbruch. Es ist unseriös, das Thema gegen alle getroffenen Vereinbarungen in der letzten Sitzungswoche auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages zu setzen. Das wird der gesellschaftlichen, normativen und auch emotionalen Tragweite dieser Entscheidung in keiner Weise gerecht.

Stattdessen wäre ein seriöses parlamentarisches Verfahren dringend geboten, wie das auch bei anderen Thema, bei denen der Fraktionszwang aufgehoben wurde, selbstverständlich war.

III. Zu meinem Votum
Es geht im Gesetz allein um die Zivilehe, die sich von dem kirchlichen Eheverständnis, das mich als überzeugte Katholikin prägt, schon heute sehr unterscheidet. Meine eigene, religiöse Überzeugung kann und will ich niemandem überstülpen. Ich persönlich habe außerdem durch viele Gespräche und vor allem durch persönliche Begegnungen mit gleichgeschlechtlichen Paaren viel dazu gelernt.

Nach reiflicher Überlegung und Abwägung aller Argumente werde ich aber dem Gesetzesentwurf des Bundesrats zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Drucksache 18/6665) aus den genannten Gründen ablehnen.

Weitere Anmerkungen:

- Nicht nur angesichts der schon längst geübten Rechtspraxis bei uns im Land, setze ich mich dafür ein, dass eingetragenen Lebenspartnerschaften die Möglichkeit zur Volladoption in einem Akt nach einer am Kindeswohl orientierten Einzelfallprüfung (wie bei anderen Paaren auch üblich) erhalten. Wir erlauben in Deutschland die Eigenkind-Adoption und ermöglichen die Sukzessiv-Adoption. Wir geben nach sorgfältiger Prüfung, die bei allen übrigen Verfahren auch nötig ist, Pflegekinder auch in gleichgeschlechtliche Paar-Haushalte. So bleibt „lediglich“ eine Unterscheidung bei der Fremdkind-Adoption. Es gibt keine überzeugenden Argumente, in dieser Situation eine Fremdkind-Adoption weiterhin grundsätzlich abzulehnen. Wir haben in Deutschland hervorragende Fachdienste, die die Adoptionsverfahren durchführen und nach ausführlicher Prüfung nach bewährten Kriterien im Sinne des Kindeswohles Einzelfall-Entscheidungen treffen. Diese sollten zukünftig auch bei Fremdkind-Adoptionen bei gleichgeschlechtlichen Paaren Anwendung finden.

- Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von einer gesetzlichen Neuregelung natürlich unberührt. Schon jetzt unterscheiden sich das Konzept der Zivilehe und das katholische sakramentale Eheverständnis in Blick auf die Voraussetzungen für eine mögliche Eheschließung und die Definition von Ehe. Die Kirche definiert für sich, was das Sakrament der Ehe ausmacht. Und gleichzeitig gilt, welche/r Christ/in könnte Liebe, Treue, lebenslange Verantwortung und Sorge zwischen zwei Frauen oder zwei Männern abwerten wollen?

- Es wird der besondere Schutz von Ehe und Familie nicht ausgehöhlt, wenn eingetragene Lebenspartner gleiche Rechte erhalten. Es wird deshalb keine Ehe weniger geschlossen und kein Kind weniger geboren.

- Besonders bemerkenswert an der aktuellen Debatte ist für mich die parteiübergreifende Selbstverständlichkeit, mit der die Ehe nun zur entscheidenden Säule der deutschen Gesellschaft erklärt wird. Das ist im guten Sinne konservative Politik, die hier die Agenda bestimmt. Ehe und Familie stark zu machen und zu fördern ist nicht nur ureigenes CDU-, sondern ganz besonders auch kirchliches Anliegen. Hier sehe ich noch große Aufgaben und eine besondere Verantwortung für den Gesetzgeber, aber auch für die Kirchen, um für unterstützende Rahmenbedingungen zu sorgen. Ich gehe davon aus, dass das CDU- Wahlprogramm 2017 dafür klare Zeichen setzen wird.

Dr. Claudia Lücking-Michel MdB