Fake News, Hass und Verschwörungstheorien in Internet und sozialen Medien

03.03.2023

Ein Bericht der Senioren-Union Bonn

Seit der amerikanische Unternehmer und Multimilliardär Elon Musk den Nachrichtendienst Twitter übernommen hat, kommt dieser nicht mehr aus den Schlagzeilen. Die Entlassungswelle, die Musk bei dem Dienst ausgelöst hat, führt offensichtlich auch zu Problemen mit der Löschpflicht, der die Plattform wegen offensichtlichen Personalmangels nicht mehr nachkommen kann. Die ersten Prozesse werden bereits geführt wegen Verstoßes gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, mit dem hierzulande die Verbreitung von Fake News, Hass und Hetze bekämpft werden soll.

Allerdings ist Twitter nicht das einzige Problem, wie Dr. Robert Grünewald, früherer Seminarleiter für Politische Kommunikation bei der Konrad-Adenauer-Stiftung und nun Internetbeauftragter bei der Bonner Mittelstandsunion (MIT) in seinem Vortrag bei der Bonner Senioren-Union erläuterte. Auch Facebook, TikTok und Instagram fallen immer wieder durch Rechtsverstöße auf, und dies, obwohl sie zur Moderation ihrer Plattformen verpflichtet sind. So hat kürzlich ein freier WDR-Mitarbeiter auf Instagram zum Hass gegen die CDU aufgerufen. Das Problem: Es fehlt an einem wirksamen Plattformrecht analog zum Presserecht, denn Instagrammer, Blogger und Youtuber sind zumeist Privatpersonen und keine Journalisten, für sie gilt das Presserecht nicht, sondern nur das allgemeine Recht, also etwa das Strafrecht. Immerhin versucht jetzt auch die EU mit dem Digital Services Act eine rechtsverbindliche Regelung für die Internetplattformen in Europa zu etablieren. Aber das ist schwierig, wie vor einigen Jahren schon der Fall mit den Uploadfiltern gezeigt hat, als die Internetgemeinde wegen vermeintlicher Zensur auf die Barrikaden ging und der zuständige EU-Berichterstatter, der Bonner Europaabgeordnete Axel Voss mit Morddrohungen konfrontiert wurde.

Die rechtsfreien Räume und die Untätigkeit der Plattformbetreiber machen sich manche Nutzer zunutze, wie Grünewald betonte. So sei vor allem bei Jugendlichen ein naiver Umgang mit Fake News zu beobachten, wenn diese ohne Prüfung an Freunde weiter geleitet würden. Das sei fatal, weil Freunde in der Regel als verlässliche Quelle gelten. Nach wie vor eine der am häufigsten verbreiteten Fake News sei die Leugnung des Holocausts, wie eine Unesco-Studie festgestellt hat: Die Hälfte aller Holocaust-bezogenen Inhalte auf dem Dienst Telegram leugnet oder verdreht die Fakten, auf Facebook und Twitter seien es immerhin auch noch 19 bzw. 8 Prozent. Eine Besonderheit von Fake News sind sogenannte Deepfakes, täuschend echt daherkommende Nachahmungen realer Phänomene oder prominenter Personen, wie etwa der gefakte Ukraine-Präsident Selenskyj, der in einem gefälschten russischen Video die eigenen Soldaten vermeintlich zur Kapitulation aufrief. Überhaupt flutet der russische Staat die Internetmedien mit seiner Kriegspropaganda, sei es mit gefakten Accounts, Portalen oder Webseiten. Nach einer Umfrage fällt jeder fünfte Deutsche auf die russische Kriegspropaganda herein. Der Terrorismusexperte Peter Neumann bezeichnet die Deutschen als schwächstes Glied im Abwehrkampf der westlichen Demokratien gegen Putins Russland.

Neben politischer Desinformation sind Hass und Hetze in den sozialen Medien das größte Problem: menschenverachtende Aussagen, die sich auf Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft oder das Alter einer Person beziehen. Das fängt schon in jungen Jahren an. Eine neuere Studie der Techniker-Krankenkasse hat ergeben: Jedes fünfte Schulkind wird im Internet gemobbt mit Beschimpfungen, Gerüchten und weitergeleiteten Fotos. Die Folgen sind Fehlzeiten in der Schule, Leistungsabfall, psychische und physische Erkrankungen. Genauso besorgniserregend aber ist: Was passiert, wenn man schon mal davon betroffen war? Man äußert sich nicht mehr, legt sich selbst den Maulkorb an, übt Selbstzensur. Das geht bis hin zum Verzicht auf Kommunikationsteilhabe. Bevorzugte Ziele von digitaler Gewalt sind vor allem Politiker, Vertreter staatlicher Organe wie die Polizei und Vertreter bestimmter Berufsgruppen wie etwa Ärzte oder auch Journalisten, die natürlich selbst meinungsstark im Netz unterwegs sind und oft kein Blatt vor den Mund nehmen. In der Corona-Pandemie konnten die Behörden ein klares Ziel für die Hasskommentare erkennen: die Gegenseite aus dem Netz verdrängen, um dort die Deutungshoheit zu erringen.

Bei den auf sozialen Medien verbreiteten Verschwörungstheorien fällt dagegen vor allem die Anfälligkeit Jugendlicher auf. Nach einer Studie der Uni Bielefeld ist dies bei jedem dritten Jugendlichen der Fall. Und da geht es längst nicht mehr um die angeblich nie stattgefundene Mondlandung, sondern um den „großen Bevölkerungsaustausch“, angeblich krank machende Corona-Impfungen und den Great Reset, also den vermeintlichen Versuch der Eliten, eine neue Weltordnung zu schaffen.

Wie kann man sich schützen? Grünewald wies auf die Möglichkeiten hin, Hasskommentare auf den Plattformen zu melden, gegebenenfalls auch die Behörden einzuschalten, wenn man von schwerwiegenden Vorgängen weiß. Man könne Fake News leicht erkennen, wenn man die Quellen nachprüft, gefakte Bilder etwa auf Google hochlädt oder sich einfach auf entsprechenden Hilfeseiten im Netz wie Klicksafe.de, Hateaid.org oder Correctiv.org informiert. Und: wer mit wachem Verstand die sozialen Medien nutze, die ja auch viele Vorteile bieten, der sei ohnehin auf der sicheren Seite.