Standpunkt: NEUES EINWANDERUNGSGESETZ? - Kaum Entspannung für Fachkräftemangel zu erwarten - Kaum Auswirkung auf Migrationsbewegungen

21.09.2018

Die Große Koalition hat sich darauf verständigt, noch in diesem Jahr ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu verabschieden. Das wird in Teilen von Politik und Öffentlichkeit mit der großen Erwartung verbunden, dem Fachkräftemangel zu begegnen und die Migrationsbewegungen zu beeinflussen, indem man Perspektiven schafft. Dabei wird häufig übersehen, dass es in Deutschland bereits gesetzliche Regelung für die Zuwanderung von Nicht-EU-Ausländern gibt, die im Bereich der Arbeitsmigration in den letzten Jahren zudem deutlich liberalisiert wurden. Nach Ansicht der OECD gehört Deutschland mittlerweile sogar zu den liberalsten Ländern im OECD-Raum der 36 wirtschaftsstarken Mitgliedsländer.

Möglichkeiten der Fachkräftezuwanderung
Personen mit einer (als gleichwertig anerkannten) Berufsausbildung können nach Deutschland kommen, wenn sie besonders gut qualifiziert sind und nur für einen der 61 sogenannten Mangelberufe in Frage kommen, wie zum Beispiel für Gesundheits- und Pflegeberufe. Zusätzlich gibt es Sonderregelungen für den erleichterten Zuzug von Hochschulabsolventen (kein konkretes Arbeitsplatzangebot erforderlich), ausländischen Auszubildenden und Studenten sowie Spitzenkräfte von Wissenschaft und Wirtschaft. Auch ausländische Studenten mit deutschem Hochschulabschluss sind privilegiert (Anspruch auf Erteilung einer Blue Card). Im Jahre 2017 erhielten 107 642 Drittstaatenangehörige einen entsprechenden Aufenthaltstitel im Hinblick auf ihre Erwerbstätigkeit in Deutschland.
Natürlich kann man die bestehenden Regelungen entbürokratisieren, die Verfahren vereinfachen, auf die Liste der Mangelberufe verzichten (so die Forderung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) und dem Ganzen politische Attraktivität verleihen. Den Fachkräftemangel in Deutschland wird das neue Gesetz jedoch nicht beheben, sondern allenfalls leicht abmildern können. Zurzeit verlassen pro Jahr 700 000 Schüler die Schule und ca. 1 Million Menschen gehen in Rente. In zwei Jahren gehen 1,2 Millionen pro Jahr in Rente und die Schülerzahl bleibt weitgehend gleich. Das heißt im Umkehrschluss: Selbst eine Verdopplung der Anzahl von Erwerbstätigen aus Drittstaaten könnte unseren Fachkräftebedarf nicht annähernd befriedigen.

Bekämpfung des Fachkräftemangels: Nationale und europäische Maßnahmen
Notwendig ist ein abgestuftes Vorgehen. Die Qualifizierung von Fachkräften in Deutschland, der Spracherwerb von Flüchtlingen mit Bleiberecht sowie die Gewinnung von Arbeitskräften innerhalb der EU sollten in einem ersten Schritt erfolgen:
(1) Gewinnung von Fachkräften in Deutschland massiv ausbauen: Ausbildungsquoten erhöhen; Vermittlung von Erwerbslosen und Ausbildungssuchenden verbessern
(2) Flüchtlinge besser qualifizieren: Spracherwerb und Berufsqualifikation von Anfang an kombinieren; berufliche Qualifikationen aus den Herkunftsländern stärker berücksichtigen und zu gleichwertigen Qualifikationen ertüchtigen
(3) Positives Zeichen für europäischen   Integrationsprozess setzen: Schaffung von Beratungs- und Kompetenzzentren dort, wo in der EU eine hohe Jugendarbeitslosigkeit herrscht, könnte die Vermittlung freier Arbeitskräfte und offener Stellen deutlich erhöhen